Du möchtest auch Tiermedizin studieren?

Immer wieder höre ich: Anja, ich möchte auch so gerne Tiermedizin studieren, habe jedoch kein gutes Abitur…

Nun, mein Weg zum Tiermedizinstudium war alles andere als geradlinig.

Ich habe damals die Realschule bei uns zuhause besucht und als der Abschluss nahte, stellte sich natürlich die Frage, was kommt danach? Auf das Gymnasium wechseln, Ausbildung, Fachschule?

Als junger Mensch war ich damals sehr froh, dass meine Familie mich beriet und die waren eindeutig für eine Ausbildung. Auch all meine Freunde haben sich für einen Ausbildungsberuf entschieden und so stand auch für mich der Entschluss fest: Ich fange eine Ausbildung an.
Und so habe ich nach meiner mittleren Reife eine Ausbildung zur Bankkauffrau angefangen. Jedoch wurde mir schon sehr schnell bewusst, dass ich das auf keinen Fall machen möchte und schon gar nicht mein Leben lang.
Damals hatte ich jedoch ziemlich Angst meine Eltern zu enttäuschen und habe die Ausbildung bis zum Ende durchgezogen. Allerdings habe ich ihnen kurz vor dem Ausbildungsende gesagt, dass ich mein Abitur nachholen möchte, um anschließend Tiermedizin studieren zu können.

So bin ich mit Anfang 20 nach Berlin gezogen und habe dort in einem Kolleg mein Abitur nachgeholt. Parallel dazu, habe ich in einer Tierarztpraxis gejobbt, was mich immer wieder in meiner Meinung weiter bestätigte.
Damals war es nicht sehr leicht diesen Weg zu gehen. Denn obwohl meine Eltern mich jederzeit unterstützen, hatte ich dennoch das Gefühl, dass sie meinen Weg nicht nachvollziehen konnten.

Nach meinem Abitur war klar, einen Studienplatz in Deutschland zu bekommen, wird nicht ganz leicht. Ich hatte zwar einen Schnitt von 1,8 aber um einen Studienplatz sicher zu erhalten, benötigte man auch damals schon einen 1er Schnitt. Ich durfte anschließend zum Auswahltest in Berlin antreten und ich weiß noch genau, wie aufgeregt ich damals war. Gleichzeitig war ich aber auch wie hypnotisiert von der Universität, den Hörsälen, der Atmosphäre.
Leider klappte es damals nicht mit dem Studienplatz in Berlin und ich war ziemlich traurig. Ich bin jedoch niemand der lange im Kummer badet und so befasste ich mich sehr schnell mit den alternativen Möglichkeiten, einen Studienplatz zu ergattern.

Ich recherchierte folgende Möglichkeiten:

1. Einen Studienplatz einklagen
2. Einen Quereinstieg z.B. über Agrarwissenschaften
3. Nachrückverfahren
4. Auslandsstudium, dort insbesondere Budapest, Belgien, Österreich
5. Warten

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Ich ging zu einem Anwalt und ließ mich hinsichtlich der Möglichkeit der Klage beraten. Damals riet man mir davon ab. Da dies wenig erfolgversprechend wäre. Und so ließ ich diesen Gedanken wieder fallen.
Abwarten kam sowieso nicht in Frage und so verwarf ich auch diese Möglichkeit.
Für ein Nachrückverfahren bewarb ich mich natürlich und hoffte auf mein großes Glück. Jedoch blieb das aus und somit fiel diese Option weg.
Letztendlich blieben noch der Quereinstieg und das Auslandsstudium. Ein Studium in Budapest hätte ich mir aber unmöglich leisten können und somit verabschiedete ich mich auch von diesem Gedanken sehr schnell.

Österreich klang vielversprechend, wobei natürlich die Lebensunterhaltungskosten nicht zu unterschätzen waren. Aber das Studium wäre auf Deutsch gewesen, ein ungemeiner Pluspunkt. Jedoch war schon damals der Eignungstest recht anspruchsvoll und was wäre, wenn ich diesen nicht bestände? Dann müsste ich ein Jahr warten und das wollte ich auf garkeinen Fall.

Daneben gab es die Möglichkeit in Belgien zu studieren (Gent und Antwerpen). Der Vorteil, jeder der studieren möchte, kann dies auch (zumindest theoretisch). Denn in Belgien wird auf Niederländisch unterrichtet und so muss natürlich ein Sprachzertifikat abgelegt werden. Außerdem sprachen die verhältnismäßig günstigen Studiengebühren für Belgien.

Parallel recherchierte ich ewig die Möglichkeiten eines Quereinstiegs über Agrarwissenschaften. Jedoch war es mir damals einfach zu wage, ob ich zu den wenigen glücklichen gehöre, die über diesem Weg zum lang ersehnten Studienplatz kamen. Zumal die ausländischen Studenten, die häufig auch wieder zurück wollten, bevorzugt wurden.

So stand die Entscheidung also fest. Ich wollte in Belgien Tiermedizin studieren und versuchen dann wieder zurück nach Deutschland zu kommen.

Ich war damals so fest davon überzeugt. Ich hatte das Gefühl, alles erreichen zu können und so lernte ich in 3 Monaten Niederländisch. Den letzten Monat verbrachte ich schon in Belgien und belegte einen Sprachkurs vor Ort in einer Sprachschule. Ich lernte von morgens bis abends Vokabeln, lass niederländische Bücher, schaute mir Trickfilme auf Niederländisch an. Mein Tag bestand quasi nur noch aus Niederländisch.

Wer mich kennt, weiß, ich habe viele Talente aber sprachbegabt bin ich so überhaupt nicht. Ich hatte eine heiden Angst vor dem Sprachtest, der aus einem schriftlichen Teil, einem Gespräch und einer Höraufgabe bestand. Aber ich bestand alle 3 Teilabschnitte und bekam so mein heiß geliebtes Sprachzertifikat. Es war immerhin nichts weniger, als meine Eintrittskarte zu meinem Traum.
Und so konnte ich mich einige Tage später für das Fach Tiermedizin einschreiben. Ich glaube, dass war einer meiner glücklichsten Tage.

Eine Wohnung hatte ich bereits und auch den Umzug von Berlin nach Gent, verlief dank meiner Familie reibungslos.

Wenn man nun jedoch denkt, super… dann kann es ja nur besser werden. Der irrt… wie heißt es so schön, die Medaille hat immer zwei Seiten.

Ich war unsagbar dankbar, dass ich die Chance bekam, meinen Traum zu verwirklichen. Jedoch war mir zu jeder Zeit bewusst, jetzt kommt viel Arbeit auf mich zu. Denn im Ausland zu studieren heißt auch mehr lernen, mehr arbeiten… In Belgien darf zwar jeder anfangen zu studieren aber die Plätze für die folgenden Semester sind begrenzt und so wird am Ende des Semesters knallhart aussortiert. Nur die Besten bekommen die Möglichkeit, in das nächste Semester zu gelangen.
Unsere Prüfungen waren überwiegend schriftlich. Manche schriftlich und mündlich oder schriftlich und praktisch. Jedoch fanden die Prüfungen, genauso wie auch die Vorlesungen komplett auf Niederländisch statt und in den Prüfungen durften keine Wörterbücher benutzt werden. Wenn man eine Frage nicht verstand, hatte man schlichtweg Pech gehabt.

Außerdem, wird dem einen oder anderen bewusst sein, dass die „spannenden“ Fächer erst in den höheren Semestern behandelt werden. So standen im 1. Semester Physik, organische und anorganische Chemie, Botanik, Zoologie, Anatomie, Histologie und Embryologie auf dem Stundenplan.
Chemie in Deutsch ist schon hart aber das Ganze noch in einer fremden Sprache. Wie gesagt, ich habe viel gelernt. In meiner Zeit in Belgien habe ich vor allem eins gesehen, meinen Schreibtisch. Aber ich bereue nichts. All das Lernen, die vielen Stunden am Schreibtisch….

Ich wollte das – mit jeder Faser meines Körpers. Kennt ihr das Gefühl im „Flow“ zu sein?
So habe ich mich damals gefühlt. Und es zahlte sich definitiv aus. Ich bestand alle Prüfungen.

So hatte ich nun also nach meinem ersten Semester, das Vorphysikum in der Tasche und bewarb mich zum 2. Semester nach Deutschland. Das schöne jetzt, war die Tatsache, dass ich mich direkt bei der Universität bewerben konnte und nicht mehr über die ZVS.

Ich bekam eine Zusage für München, Gießen und Hannover. Etwas später, hätte ich als Nachrücker auch noch nach Berlin gehen können.

Ich entschied mich für Hannover und zog in einem Affentempo von Gent nach Hannover. Denn von der Zusage bis zum Start des 2. Semesters lagen 2,5 Wochen…. Aber dank meines sehr geduldigen Vaters haben wir alles rechtzeitig geschafft.

Das schönste war, dass ich zu diesem Zeitpunkt das Gefühl hatte, dass meine Eltern meinen Weg unterstützen und an mich glaubten.

Wie Walt Disney schon sagte:

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Wichtig ist einzig und allein, dass man an sich glaubt. Auch in den Phasen, wenn es hart ist, wenn man eigentlich nur weinen möchte oder sich fragt, warum man sich das antut… Die Verwirklichung deines Traums ist Belohnung genug.

Jeder kann Tiermedizin studieren! Manchmal muss man nur eben einen Umweg gehen.

Wenn du jetzt vielleicht denkst, Mensch, ich möchte auch diesen Weg gehen. Ich möchte unbedingt Tiermedizin studieren, dann hinterlass mir doch einfach ein Kommentar.


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